Rezension zu:
Jürgen Schmidt-Pohl „Flieder, Lavendel und Geruch des Todes“
Vexierspiele
„Flieder, Lavendel und Geruch des Todes“ beginnt als die Geschichte zweier Freunde. Herzwangen und Leinenfeld haben nicht nur viele Erfahrungen gemacht, die sich ähneln, sie haben im Laufe ihrer Freundschaft auch schon mehrfach gemeinsam Gefahren überwunden. Nun ist Herzwangen mutmaßlich tot, sicher ist das keinesfalls, und Leinenfeld trifft in Frankreich auf der Suche nach einer Lektorin jene Frau, die vor mehreren Jahrzehnten die große Liebe seines Freundes war. Daß die Beziehung scheiterte, hat Herzwangen nie verwunden. Leinenfeld lernt diese Miria näher kennen und kann erahnen, was seinen Freund so tief getroffen hat. Es ist also auch eine Geschichte über die Liebe und ihre Vergeblichkeit.
Leinenfeld ist in der DDR als Fallschirmjäger ausgebildet worden, wurde dann aus politischen Gründen inhaftiert und später vom Westen freigekauft. Er hat lange nach der ihm gemäßen Ausdrucksform gesucht und sie schließlich im Malen gefunden – ein zuweilen introvertierter Mann, der viel über Frauen und Liebe, Alter und Tod, Krieg und Unrecht, über Identität, Globalisierung und Terror nachdenkt und manchmal fast an der Gegenwart verzweifelt.
Leinenfeld kann seine Vergangenheit nicht verdrängen, ist aber auch ein Mann der Tat. Ihm wird angeboten, als Bodyguard die Übergabe des Lösegeldes für eine Geisel in Bagdad zu begleiten. Das ermöglicht ihm zugleich, die verschollene Tochter Mirias, die als Kriegsberichterstatterin unterwegs ist, aufzuspüren, zumal er vermutet, diese könnte die Tochter seines Freundes Herzwangen sein.
Mit seiner Landung in der irakischen Hauptstadt befindet sich Leinenfeld umgehend mitten in den Brennpunkten aktueller Weltpolitik. Was er erlebt, spiegelt eindrücklich die Unbestimmtheit der geopolitischen Umbrüche in der Gegenwart. Kaum jemand ist, was er zu sein scheint. Leinenfeld weiß nicht, auf wen er sich verlassen kann. Es ist keine Spionage-Geschichte früherer Prägung, sondern ein Geheimdienst steht hinter einem Geheimdienst hinter einem Geheimdienst. Man hat den Eindruck, daß Bagdad das alte Westberlin in dieser Hinsicht um Längen schlägt. Ein spannendes und gleichzeitig ernüchterndes Vexierspiel aller Beteiligten.
Die Handlung führt Leinenfeld schließlich nach Istanbul, wo er hofft, auf Mirias Tochter zu treffen. Mit einer unglaublichen, aber doch nicht unmöglichen Köpenickiade gelingt es ihm, sich seinen Zielen zu nähern, und dem Autor, aus dieser Geschichte auch noch einen gut funktionierenden Thriller zu machen.
Dennoch, Ende gut, alles gut ist es nicht. Leinenfeld hat neue Erfahrungen gemacht, aber auch seine Befürchtungen, was die Veränderungen in der Welt mit den Menschen machen, bestätigt bekommen. Er ist gereift, und wie um sich den menschlichen Verwerfungen entgegen zu stellen, hält er zu sich und läßt Verführungen, auch intellektuelle, nicht mehr zu. Seine Reifung und seine neue Festigkeit sind literarisch und psychologisch überzeugend dargestellt. Von diesem Leinenfeld wird man vielleicht noch einmal hören, denn daß er sich von nun an ausschließlich der Malerei widmet, ist eher unwahrscheinlich.
Ein Buch, das man lesen sollte, wenn man Spannung liebt und einen das Schicksal der Welt nicht kalt läßt.
Hans-Joachim Lenau
Jürgen Schmidt-Pohl „Flieder, Lavendel und der Geruch des Todes“
ISBN 978-3-9820189-0-4, Roman, 378 Seiten, Broschur, € 24,-