Rezension in: Schweriner Volkszeitung – SVZ – v. 27.11.2013

Von Ewigkeit umgeben - Ein jüdisches Leben 1967/68

Sieben Tage, das ist Zeitmaß und Metapher für das Werden und Durchstehen einer Existenz, die in unaufhörlichem Suchen und Verlieren zu sich findet und sich dabei formt zur Persönlichkeit. Damit war für den Autor vorliegenden Buches „Davids Stern oder von Ewigkeit umgeben“ die Struktur für sein Thema vorgegeben. Sechs Tage der Auseinandersetzung und der siebte als Tag der großen Ruhe – aus der Ewigkeit kommen wir Menschen, in die Ewigkeit gehen wir ein.
Was prägt die Identität eines Menschen? Dieser Frage sieht sich David Kunze im fünften Roman des Autors Jürgen Schmidt-Pohl gegenüber. David lebt in der DDR, mit einer liebevollen Mutter, die Mitglied der SED ist und beim Rat des Kreises arbeitet. Als Israel 1967 den Sechstagekrieg führt und von der DDR eine beispiellose anti-israelische Propagandakampagne in Gang gesetzt wird, weigert sich der Einundzwanzigjährige, für den Krieg gegen Israel Geld zu spenden. Denn er ist jüdischer Herkunft, praktiziert die Religion allerdings nicht.
Am Anfang von Davids Selbstfindung steht der Tag seiner fast naiven Weigerung, gegen die eigene Überzeugung zu verstoßen, „als sei dieser Tag das Tor zur Bestimmung des Seins für den, dem es geschieht“. Dann tritt ein, was in der Realität so oft passierte – DDR-Funktionäre sorgen selbst dafür, daß Staatsfeinde entstehen. Er wird verhaftet, kommt noch einmal davon, beginnt in Leipzig zu studieren und sich für den Zionismus zu interessieren. Er findet einen Mentor, der ihn gelegentlich in den Grundlagen des Judentums unterweist. David muß erfahren, daß Juden in der DDR nur als linientreue Staatsbürger akzeptiert werden, einschließlich der Ablehnung des Staates Israel.
Im Sommer 1968 fährt er nach Prag, um den von großen Hoffnungen begleiteten gesellschaftlichen Aufbruch des Prager Frühlings selbst zu erleben. Hier trifft er seine große Liebe.
Als David Kunze sich zu fragen beginnt, wer er eigentlich ist, verändert er sich bereits. Das ist beeindruckend dargestellt. Es sind nicht allein seine Herkunft, Bücher, die er liest, Frauen, die ihm begegnen, auch nicht seine dramatischen Erlebnisse in Prag – alles gemeinsam formt und wandelt ihn, seine Identität ist nicht statisch, sondern im Fluß. Ein ungewöhnliches, sprachlich reifes Buch – unbedingt lesenswert.


Friedrich Falkenhar

Jürgen Schmidt-Pohl: Davids Stern oder Von Ewigkeit umgeben, Pohlit-Verlag 2013,
ISBN 978-3-00-042009-2, 206 S., 20,- €; auch als Kindle-EBook bei Amazon für 15,23 € erhältlich.

Leserzuschrift an den Verlag:
Sabine K., Rostock: „Was mir weder die Inhaltsangabe auf der Buch-Rückseite noch Rezensionen zu ‚Davids Stern’ anzeigten war, dass hierin für mich fast nebenbei sichtbar gemacht und überraschend klarsichtig die DDR-Wurzeln des Antisemitismus des vereinten Deutschland beschworen werden – der Anti-Zionismus, der Neid, die Angst vor einer weltweiten jüdischen Diaspore, der Hass auf Israel ...
Dies in Erinnerung zu rufen und damit in die Diskussion über den Antisemitismus heute eingebracht zu haben, ist das ganz besondere Verdienst dieses Buches. Will man diesen weißen Fleck in der DDR-Geschichte entdecken, so ist dieses Buch, neben allen erzählerischen Meriten, ein aufklärerisches Werk für Literatur- und geschichtsinteressierte Leser ...“